Blackface meets Tweed
von Michael ‚Mikel’ Meyer
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Inhalt
Irgendwann packt es wohl jeden E-Gitarrespieler und er begibt sich auf die Suche nach seinem ultimativen Sound. Bei mir
begann es damit, dass ich des Schleppens meines recht schweren Blues-Deluxe-Verstärkers leid war, hier die Ansicht des
Originals:
Hinzu kam, dass, was Clean-Sounds angeht, die Wiedergabe trotz seines Eminence-Lautsprechers immer noch relativ harsch ist.
Ab 3 (von 12) haut er einem den Putz von der Wand, ab 5-6 fängt er an zu sättigen, um mal ein Forumsmitglied zu
zitieren [2]. Seinen Zerr-Kanal kann man ganz einfach vergessen. Er klingt sehr spitz und scharf. Selbst mit PAFs geht
Crunch in Wohnzimmerlautstärke nicht.
Schon die Ruhegeräusche hinsichtlich Einstreuungen und Brummen sind recht hoch und öffnet man den Verstärker,
so zeigt sein Innenleben die Details, die eigentlich einem ehrlichen Röhrenamp-Fan das kalte Grausen ins Gesicht
treiben:
Leiterplatten, Miniaturbauelemente, dünne Drähtchen, das alles soll wirklich bei Spannungen von 425V und mehr gut
sein? Sand! - Zwar nicht direkt im NF-Signalweg, jedoch im eingeschleiften Hall-Pfad. Hier wurden OPV verbaut, die auch nicht
gerade zu den rauschärmsten zählen; es gibt längst Modifikationen mit besseren OPV.
Dennoch möchte ich eine Lanze für diesen Amp brechen. Er ist ein guter Kompromiss zwischen nostalgischem
Tweed-Layout und moderner kostengünstiger Fertigung bei annehmbarem Cleansound mit hohen Lautstärke-Reserven
für Club-Gigs.
Also es sollte ein kleinerer puristischer einkanaliger Vollröhrenverstärker fürs Wohnzimmer her, der den als
so cremig schmelzigen fenderlike beschriebenen Clean-Sound bzw. schön bluesig angezerrtes Crunch bringt. Was heftigeres
Zerren angeht, so tut es dann auch eines der bekannten Vorschalt-Trampelkistchen, sprich Bodenpedal eines einschlägigen
Herstellers.
Die Suche begann mit Recherchen diverser Schaltungen, sechs verschiedenen Eigenentwürfen auf dem Papier und zog sich
über die Fragen hin: Welche Schaltung sollte es sein? Eintakt- oder Gegentaktendstufe? Wieviel Watt? Welche und wieviele
Regler? Wieviele Röhren? Soll es Fender- oder doch eher Marshall- oder Vox-Sound sein? Welche Bauelemente sollen rein?
Soll es eher steril oder färbend, authentisch klingen? Wie wird das überhaupt klingen???
Es ging mir um eine Kosten-Aufwand-Nutzen-Frage, um die Suche nach dem optimal Möglichen für relativ wenig
Geld.
Zwangsläufig führt die Suche zu [1] genauso wie zu [2] - hier erwarb ich den Großteil aller Bauteile -
und [3]. Und zufällig wurde zeitgleich in einer bekannten Musikerzeitschrift der Deluxe Reverb von Fender als der
König unter den Kleinleistungsverstärkern hinsichtlich seines Clean-Sounds und seiner crunchigen Wiedergabe
beschrieben.
Der Deluxe Reverb. Hm, von ihm schwärmen schon Generationen.
Nach vielem Hin und Her stand die Entscheidung fest.
Er wird gebaut!
Quanta costa?
Ein guterhaltenes Original aus den 60ern rangiert angeblich preislich an die 3000-Dollar-Grenze heran. Gut, es gibt inzwischen
Nachbau-Kits [3]. Sie beginnen schon ohne Gehäuse preislich bei etwa 780,- Euro und haben dem Original entsprechend
Features drin, die ich eigentlich gar nicht alle möchte, geschweige denn, dass den Kits noch diverse nötige
Bauteile fehlen - es kämen also noch weitere Kosten dazu.
Reissues des Original-Herstellers [6] haben kein PTP- sondern Platinen-Layout drin und liegen preislich auch weit oben.
Ebay? Kann man vergessen: verbastelte und restaurierungsbedürftige Amps zu Hochpreisen, in die dann nochmals viel
Geld gesteckt werden muss - nein danke.
Das Pflichtenheft legte mit Rücksicht auf einen so kostengünstig wie möglichen Nachbau folgendes fest:
Änderung der Originalschaltung Deluxe Reverb AB763, d.h. Streichen aller für mich nicht infrage kommenden
Features
Verdrahtung auf PTP-Basis, jedoch keine Verwendung der teuren käuflichen PTP-Boards, eine normale Lötösenplatte
tut es auch
resultierend aus den ersten beiden Punkten Erstellen eines neuen PTP-Layouts
kompromissloser Aufbau mit weitestgehenden Originalbauelementen, um so authentisch wie nötig zu klingen
Einbau auf ein neu zu erstellendes Replacement-Chassis in das Gehäuse des Blues Deluxe, um zusätzliche Kosten
für ein Gehäuse zu sparen.
Ich nehme nicht an, dass daraus soooo arge Klangverfälschungen resultieren, wenn kein Original-Board drin ist.
Die Puristen heben jetzt natürlich sofort ihren Zeigefinger und sagen: "Moment mal. Hier wird eine Schaltung eines
Blackface-Amps in ein Gehäuse der Tweed-Ära gebaut. Und was kommt dann bitteschön für ein Lautsprecher
rein, hä?"
Ja, ich weiß: für die Tweed-Ära resp. deren etwas rauheren Sound müsste also zum Gehäuse passend
ein Jensen Blue Cap bzw. P12Q mit AlNiCo-Magnet eingebaut werden. Das wiederum wäre aber eigentlich zur Schaltung
unpassend. Der Deluxe Reverb als Vertreter der Blackface-Ära stand Pate für den heute als typisch angesehenen
Fender-Sound und deshalb wird für diesen Amp auch der empfohlene Jensen C12Q oder der teurere, leistungsmäßig
stärkere C12N, beide mit Keramik-Magnet, eingesetzt.
Die gedanklichen Vorarbeiten waren getan, es konnte mit den konkreten Arbeiten losgehen. Im Endeffekt kostete dieser Amp
dann alles in allem ohne Gehäuse ca. 420,- Euro.
Schaltung
Man ziehe zunächst das Schaltbild des Originals Deluxe Reverb AB763 heran [1].
(Mit der Maustaste das Schaltbild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)
Mittels virtuellem Radiergummi habe ich nun alle nicht benötigten Details entfernt, d.h. den Normal-Kanal (hier
unterlief mir zunächst ein gewaltiger Fehler; Jacob, an dieser Stelle nochmals meinen ausdrücklichen Dank. [9])
und die Tremolo-Stufe sowie den zweiten Low-Eingang der Vorstufe - eine Klinkenbuchse genügt.
Zusätzlich spendierte ich anstelle der festen Mitteneinstellung einen Regler und eine regelbare Gegenkopplung, ich habe
sie einfach "Color" genannt. Die Lautsprecherbuchse habe ich nicht schaltbar ausgeführt, ein Anschluß
für einen externen Speaker ist (vorerst) nicht vorgesehen.
Im Gegensatz zum Original habe ich den Standby-Schalter vor die Ladeelkos gesetzt, um sie mit wegzuschalten, da sie nicht
so spannungsfest sind. Sie würden ansonsten die zu hohe Leerlaufspannung nicht aushalten! Die Heizleitung wurde mit 2x
100 Ohm gegen Masse symmetriert. Desweiteren habe ich in die Minusleitung eine zusätzliche Sicherung eingebaut [10].
Generell habe ich den Amp nach Testreihen recht "dünn" abgesichert. Da ich ihn jedoch ausschließlich
im Wohnzimmer verwende, genügen die Sicherungen vollkommen.
Überflüssig zu erwähnen, dass dieses "Ground lift" ebenso verschwindet wie das "AC
Receptacle" und an diese Stelle ausdrücklich ein sicherer Schuko-Anschluss gehört!
Als Ergebnis entstand das folgende Schaltbild:
(Mit der Maustaste das Schaltbild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)
Man sieht zunächst, dass die Betriebsspannungen höher liegen. Das resultiert aus dem Netztransformator, dessen
Anodenbetriebsspannungen um 2 x 37 Volt höher liegen als die des Originals. Das macht aber zunächst gar nichts;
schaut man sich diverse Schaltungen von Fender-Amps hinsichtlich der dort verwendeten Betriebsspannungen an (Ausnahme:
Endröhren - siehe Erprobung/Sound!).
Aufgrund des fehlenden Normal-Kanales wird der gemeinsame Kathodenwiderstand der zweiten Triodenhälften der
Eingangskanäle (Punkt A im Originalschema) nicht mit zwei Anodenströmen belastet, (siehe Rö12 Pin
8) so dass der Kathodenwiderstand im Vergleich zum Original auf den etwa doppelten Wert erhöht wurde. Im Ergebnis wird
der Arbeitspunkt der Röhre bei steigender negativer Gittervorspannung tiefer gelegt - ihre Verstärkung sinkt etwas,
was wiederum dem Rauschen zugute kommt und man bleibt im lineareren Bereich.
Chassis
Da das Chassis ein 1:1-Replacement-Chassis zum Blues Deluxe werden musste, habe ich also die Maße dieses Chassis
abgenommen und daraufhin die Lage der Bauelemente festgelegt. Als Hilfe diente unter anderem die Anordnung der Transformatoren
und Röhrenfassungen etc. des Original - Deluxe Reverb, man findet im weltweiten Netz diverse Bilder seines Chassis.
Es galt einen so schaltungsgünstig wie möglichen Aufbau zu finden.
Daraufhin entstanden dann die Zeichnungen mit all ihren Maßen, bezogen auf die bei [2] erhältlichen Bauteile.
(Mit der Maustaste die Bilder anklicken, sie werden dann in voller Auflösung dargestellt.)
Nicht dargestellt sind in der Zeichnung oben die beiden Löcher zur Befestigung der Netzteilplatine. Diese und das
PTP-Board sind nach eigenen Vorstellungen auszurichten, ebenso wie der Halltransformator TR4, daher fehlen auch hier die
Maßangaben.
PTP und Layout
Hinsichtlich des PTP-Boards gibt es keine Besonderheiten. Man beachte lediglich die übereinander liegenden
Widerstände der Phasenumkehrstufe (unter den beiden orangen Kondensatoren liegend).
Wie schon geschrieben, waren mir die Original-Boards bzw. -eyeletts zu teuer und wegen der fehlenden bzw. geänderten
Schaltungsdetails konnte ich sie ohnehin nicht gebrauchen.
Man erkennt die Sprague Orange Drops ebenso wie die Mallorys, die Silva Micas, die Kohlepresswiderstände...
Die nötigen Brücken liegen unterhalb der Lötösenplatte, die Lage der Anschlüsse kann man aus dem
Layout-Plan entnehmen:
(Mit der Maustaste das Layout-Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)
Zur Netzteil-Platine gibt es nichts Besonderes zu sagen. Die HV-Elkos stammen von [3], die Silizium-Diode, verdeckt unter
dem obenliegenden Elko, lag ebenso wie der Elko noch im Bastelkram herum. Die Masseleitung, die den Zentral-Massepunkt bildet,
besteht aus 2,5 mm starkem Silberdraht.
Das Potentiometer für den Bias-Abgleich habe ich separat montiert. Man kann stattdessen auch einen kleineren Trimmer
gleich mit auf das Netzboard bzw. Netzteil-Platine legen. Wichtig ist, dass das Poti für den Bias-Abgleich nach dem
Einbau des Chassis ins Gehäuse sicher und vor allem hinsichtlich der lebensgefährlichen
Hochspannungen gefahrlos (!) erreichbar sein muß!
Man beachte die Ausführung des Schuko-Anschlusses. Die Befestigung der Kabel erfolgt an einem der Schraubbolzen des
Netztransformators mittels Scheiben, Federring und Muttern (im Bild verdeckt durch die Kabel des Netztrafos), so dass alles
elektrisch sicher mit dem Chassis leitend verbunden ist. Es ist die Lebensversicherung!
Aufbau
Ganz so authentisch wie im Original, ohne jede Abschirmung, konnte ich jedoch nicht verdrahten. Bei der Ersterprobung trat
bei völlig freier Verdrahtung Selbsterregung auf, so dass ich die Zuleitungen zu den Potentiometern abgeschirmt habe
(außer Gegenkopplung). Die im Layout-Plan eingezeichneten grauen Leitungen zu den Potis sind die abgeschirmten
"Spaghetti-Kabel", die einseitig an Masse liegen.
Die Masseleitungen, soweit sie nicht zu den Bedienelementen gehen, bestehen aus Kupferdraht, 1,5 mm im Durchmesser, die von
den einzelnen Massepunkten (siehe Layout) zur zentralen Masse links auf der Netzteil-Platine quasi selbsttragend geführt
werden. In Verbindung mit den Betriebsspannungs-Leitungen und diversen Kabelbindern ergibt das eine bombenfeste
Stabilität.
Als Schaltdraht kommt herkömmlicher Massivdraht mit 0,75mm Durchmesser zum Einsatz. Alle netzseitigen Anschlüsse
sind mit flexibler Litze ausgeführt. Die Heizleitung liegt verdrillt abseits dicht am Chassis.
Die Kabeldurchführungen [4] sind aus Gummi. Die Boards wurden mit Abstandsbolzen auf dem Chassis verschraubt.
Die Frontplatte besteht einfach aus stärkerem Fotokarton in passender Farbe und Abreibebuchstaben.
>
Der Schriftzug ist mit Ausziehtusche aufgemalt. Das ist alles nicht sehr abriebfest, zugegeben. Aber eine Frontplatte mit
Gravur und allem Drum und Dran kann ich mir momentan nicht leisten.
Blackface meets Tweed
Man erkennt den Jensen-Lautsprecher sowie den senkrechten Einbau des Chassis'.
Der Hersteller desselben hatte leider nicht die im Original-Blues-Deluxe-Chassis verwendeten 5-mm-Gewindehülsen,
sondern verpasste dem Replacement-Chassis solche mit 6 mm Durchmesser. Daher muß ich auch die bollerigen Schrauben
verwenden; ich hoffe diese bald gegen welche mit feinerem Kopf tauschen zu können. Alles andere ist aus den Bildern
ersichtlich, denke ich.
Sehr schön: die Befestigungsbohrungen der Lautsprecher sind identisch, so dass sie einfach ohne zusätzliche
Bohrungen und Schrauben 1:1 getauscht werden können: Eminence raus und Jensen rein, fertig. Ebenso die Hallspirale,
Verzeihung: Reverb-Unit. Man schraubt einfach die Hülle mit der Original-Hallspirale ab, nimmt die Hallspirale des
Blues Deluxe heraus und setzt die des Deluxe Reverb ein, Chinch-Kabel wieder ran, alles zurück in die Hülle und
wieder eingesetzt ins Blues-Deluxe-Gehäuse, fertig! Das Chinch-Kabel des Blues Deluxe ist an dessen Chassis übrigens
fest montiert, während das Replacement-Chassis dafür die Chinch-Buchsen hat.
Erprobung/Sound
Ein schwieriges Kapitel.
Bias
Schon hier gehen die Vorstellungen weit auseinander. Grundsätzlich sei zunächst gesagt, dass man generell die
Wiedergabe des Amps praktisch von Grund auf erst einmal voreinstellen muss bzw. dann nachträglich verändern kann
durch die Bias-Einstellung der Endröhren. Hierzu und zur Bias-Einstellung überhaupt möchte ich ausdrücklich
auf die bei [2] hinterlegten sehr ausführlichen Informationen vom Dirk verweisen und an dieser Stelle nicht weiter
darauf eingehen.
Die Quellen gehen für die 6V6 von verschiedenen Werten aus. [8] spricht z.B. von 24...34 mA, hingegen kann man in einer
anderen Quelle einen Bereich von 22...27 mA finden. [2] wiederum spricht in seiner Tabelle bei einer Anodenspannung von
450 Volt je nach 6V6-Röhre von einem Bereich von 11...22 mA. Was ist nun richtig? Sollen die Röhren eher
"kalt" eingestellt werden (ist übrigens beim Blues Deluxe werksmäßig fest eingestellt), oder soll
man sie "heiß" einstellen? Wo liegt die Wahrheit?
Ich kenne sie auch nicht. Sie liegt für mich in einem Kompromiss zwischen Wiedergabe des Verstärkers und Lebensdauer
der Röhren. Wichtig: man darf die maximale Anodenverlustleistung der Röhre nicht überschreiten, sie liegt
lt. Datenblatt [7] bei 14 Watt für die JJ-6V6 S, die man für den Betrieb bei diesen hohen Spannungen unbedingt
verwenden muß.
Aber wo liegt das Optimum der Wiedergabe eines Gitarrenverstärkers? Also sein Sound, seine Fähigkeit, eher oder
weniger anzuzerren bzw. lustlos steril oder angenehm "sahnig" oder "cremig" zu klingen? Hier spielt sehr
viel subjektives individuelles Klangempfinden eine Rolle, genauso wie beim Beschreiben (s)eines Sounds. Infolgedessen wird
man sich durch Tests, Probieren und Hören mehr oder weniger an die maximale Anodenverlustleistung annähern (die
Endröhren werden mehr belastet) oder davon entfernen (die Endröhren werden geschont). Infolgedessen kann ich den
Sound des Amps auch nur vergleichsweise zum Blues Deluxe rein subjektiv und immer in Abhängigkeit zur Einstellung der
Endröhren UND der verwendeten Vorröhren beschreiben und nur als solches ist das auch zu lesen und zu bewerten.
Nur soviel sei hier vielleicht noch für den allerersten Start aufgeführt:
am sinnvollsten ist es, das Bias-Poti zuerst auf den geringsten Anodenstrom einzustellen, also auf maximale negative Gittervorspannung der
Endröhren, so dass diese voll gesperrt sind.
nach Einschalten und Hochfahren der Betriebsspannungen (liegen erst einmal höher als im Normalbetrieb) wird unter Messung des Bias - entweder
mittels Adapter [2], [3] oder mA-Meter in der Kathodenleitung - das Poti in Richtung geringerer Gittervorspannung aufgedreht. Der Anodenstrom
zieht an und sollte vielleicht erst einmal "kalt" eingestellt werden. Wiederholung an der nächsten Endröhre, wobei der Bias nicht groß vom eben
gemessenen abweichen sollte; etwa maximal 5 mA.
Nun müssen die Betriebsspannungen in etwa auf die angegebenen Werte im Schaltplan gesunken sein.
Obacht, dass die Endröhren keine roten Backen bekommen, sonst ist was falsch gelaufen, dann wurde die maximale Anodenbelastung überschritten.
In Abhängigkeit vom (nach individuellem Hörempfinden) eingestellten Bias werden sich die Betriebsspannungen
im Amp einstellen, wird sich ein Sound einstellen. Im Zusammenhang mit den Dimensionierungen der Bauelemente bzw. deren
Modifikationen wird sich der Sound einstellen bzw. verändern, das Combogehäuse wird den Sound beeinflussen...
Noch einmal: Die preislich sich nicht stark voneinander unterscheidenden Varianten der Lautsprecher sind im Schaltbild
mit aufgeführt, wie überhaupt für eine Modifikation mit den verschiedensten Typen von Kondensatoren,
Widerständen, Vorröhren, ja - wer will, auch des Schaltdrahtes - keinerlei Grenzen gesetzt sind. Das ist ja gerade
das Schöne: Der gesamte Verstärker läßt sich genial für jeden Geschmack modifizieren.
Nein, falsch. Im Gitarrenbereich heißt das heutzutage anders: Der Amp läßt sich krass modden... ;-)
Im Vergleich zum Original (Schaltung des 65’ Deluxe Reverb, ebenfalls zu finden in [1]) liefert der Verstärker die
NF-Spannungen - im Schaltbild oval gekennzeichnet - mit nur unerheblichen Abweichungen, sehr gut.
Sound.
Dunnerlittchen.
Nein, da kommt der Blues Deluxe nicht mehr mit.
Mit Singlecoils marvint und knopflert es, daß es eine wahre Pracht ist. Dreht man den Volume-Regler weiter auf, so
kann der Amp trotz seiner relativ bescheidenen Leistung aber aufgrund des immensen Wirkungsgrades des Jensen regelrecht
losbrüllen, schweinelaut aber laaange immer noch schwer beschreibbar clean. Das muss dieser Fender-Ton in Reinkultur
sein, der den Deluxe Reverb so berühmt gemacht hat...
Die HiGain- und Metal-Fraktion würde - wenn überhaupt - gerade mal nur verächtlich die Nase rümpfen. ;-))
Crunch geht bei gemütlicher Zimmerlautstärke nicht, ab etwa 12 Uhr des Volume-Reglers (je nach Bias-Einstellung
der Endröhren) kommt es aber schön angezerrt bluesig. Mit PAFs und deren höherem Output sieht es hingegen
schon ganz anders aus, herrlich, wie süß und fett das klingen kann. Was soll ich schreiben? War der Blues Deluxe
vielleicht wie Kaffee mit Milch, so ist dieser Deluxe-Reverb-Clone wie Kaffee mit richtiger Sahne und einem Schuss
Schlagobers noch obendrauf.
Der Klangunterschied ist immens. Der Hall klingt tief räumlich und ist dicht, dreht man ihn weiter auf, so kommt
in Verbindung mit Singlecoils ein Sound auf, den man schon irgendwo einmal glaubt, gehört zu haben, Spotniks-like...
Jetzt geht die Endstufe in Sättigung, das ist ein herrlich harmonisches Übersteuern, welches im Vergleich zum
Blues Deluxe bei moderaterer Lautstärke möglich ist. Allerdings steigt jetzt auch der Grundrauschpegel vernehmlich;
klar, es sind Kohlepresswiderstände und nicht rauscharm selektierte Röhren verbaut. Den (neudeutsch) ‚sag’ konnte
ich nicht feststellen. Möglicherweise liegt es einfach nur daran, dass der Verstärker aufgrund seiner
Transformator-Dimensionierungen UND der noch nagelneuen GZ34 eine vergleichsweise sehr hohe Leistungsreserve bietet.
Interessant war der Test der Maximalleistung (Angaben dazu siehe Schaltbild).
Hinter dem Jensen liegt die Accutronics-Hallspirale, auf der angelehnt der Schaltplan steht. Eingespeist wird mit einem
Sinusgenerator, gemessen mit einem NF-Röhrenvoltmeter.
Der Amp lieferte an die Schwingspule des Jensen 25 Volt. Das machte ganze 78 Watt (!) bei schier brüllender
Lautstärke. Die Schwingspule des Lautsprechers wurde schnell warm. Allerdings spratzte dann auch die GZ34 mit einem
kleinen Feuerwerk und es haute auch schnell die zu diesem Test eingesetzte 1A-Primärsicherung des Amps heraus
(sekundär war für diesen Test die Sicherung überbrückt).
Gut, es war nur ein Test und ich wollte einfach mal sehen, was der Amp überhaupt kann und es zeigte sich, dass er
praktisch die geforderten 20 bis 22 Watt Nominalleistung quasi "aus dem Stand heraus" bringt.
Oszillografiert wurde die NF nicht. Das was da als Kurvenform herauskommt, ist ohnehin jenseits von Gut und Böse und
außerdem sind wir hier nicht im HiFi-Bereich...
Abstimmung / Finetuning
Mit dem im Schaltbild gezeichneten C5 kam die Höhenwiedergabe regelrecht schneidend, auch wenn eine ES-335 mit ihren
PAFs arbeitete. Der Treble-Regler war fast wirkungslos. In vielen Fender-Amps ist dieser Kondensator via Bright-Schalter
zuschaltbar. Hier habe ich C5 erst einmal entfernt, die Wiedergabe ohne ist völlig ausreichend und mit dem Treble-Regler
sind die Höhen gut dosierbar. (Angeblich bringen neue Jensen-Lautsprecher jedoch die Höhen ohnehin noch sehr hart
rüber, erst nach einigen Stunden Einspielzeit geht die starke Höhenbetonung zurück. Werde das überprüfen
und wenn dem so ist, dann kömmt C5 eben wieder rein.)
Die beiden RFT-ECC83 habe ich getauscht gegen die Sovtek 7025/12AX7WA, die sich in meinem Blues Deluxe befanden. Die
Röhren haben geringeres Rauschen und liegen in ihrer Verstärkung etwa zwischen der RFT-ECC81 und RFT-ECC83. Dirk
bestätigte [10]: seinen Angaben zufolge liegt die 12AX7WA in ihrer Verstärkung etwa bei 80% von der einer 12AX7
mit lt. seinen Worten allerdings etwas geringerem Dynamikumfang. Die Wiedergabe wurde deutlich geschmeidiger und der noch
einen Tick etwas zu höhenbetonte Anteil der RFT-ECC83 ging zurück. Klasse!
Anstelle der 7025 bzw. 12AX7 wird auch die NOS 5751 als angeblich am besten klingende Vorröhre empfohlen.
Die Wiedergabe war zu baßlastig, der Jensen im Blues-Deluxe-Gehäuse gibt sich ziemlich tiefenbetont selbst bei
zugedrehtem Bass-Regler. Hier habe ich den Kondensator C13 von 0,1µF auf 0,022µF verringert mit dem Resultat, dass die
tiefenlastige Wiedergabe verschwand und nun die Mitten schön hervorgehoben sind bzw. der Bass-Regler nun eine bessere
Charakteristik zeigt.
Grundsätzlich kann man den Tone-Stack modifizieren. Hier bietet übrigens [5] unter "Tone Stack Calculator"
eine perfekte Simulation an.
Zum Schluss noch ein Bild eines Pärchens.
A perfect combination... ;-))
Quellen
[1] www.schematicheaven.com
[2] www.tubetown.de
[3] www.tubeampdoctor.com
[4] www.reichelt.de
[5] www.duncanamps.com
[6] www.fender.com
[7] www.jj-electronic.sk
[8] Zeitschrift "Gitarre & Bass", Heft 04/07, S. 275
[9] Diskussion im Forum von [2], hier öffnete Jacob mir die Augen, da ich beim Streichen der nicht benötigten
Schaltungsdetails zuviel wegnahm, nämlich den Intensity-Regler, die Mischwiderstände und die Triode des
Normal-Kanales.
Daraus resultieren nicht unerhebliche Pegelprobleme bei der Wiedergabe. Natürlich kann man an dieser
Stelle die Flucht nach vorn antreten und den Amp ohne das in der Schaltbild beschriebene Filterwerk betreiben, muss dann
jedoch mit Rauschproblemen rechnen. In wieweit man diese dann behebt, indem man die Verstärkung von Rö3 wieder
zurücknimmt, oder Rö3 gegen eine mit geringerem µ austauscht, erscheint in diesem Moment paradox, würde man
dann doch den Teufel mit Beelzebub austreiben.
[10] Mein Dank gilt Kurt Schenk für seine Informationen zur sinnvollen und richtigen Absicherung von Verstärkern
ebenso wie Dirk und allen anderen für die Hinweise zu den 7025 bzw. ECC83 / 12AX7 im Forum in [2].
Das Schleppen bleibt mir nun allerdings doch nicht erspart. ;-))
Stuttgart, im Mai 2007.
Gruß, Michael
Und natürlich gilt nicht zuletzt mein Dank Jochen für die Veröffentlichung dieser Arbeit.