In den späten vierziger Jahren hatte die Firma McIntosh eine neue
Form der Ausgangsstufe mit bifilar gewickelten Übertragern
eingeführt, die gegenüber den konventionellen Schaltungen
verbesserte Eigenschaften aufwies und den Betrieb von
Endstufen mit geringem Ruhestrom ermöglichen sollte. Die damit
ausgestatteten Verstärkerserien
erlangten einen guten Ruf und wurden später auch häufig als
Referenzverstärker
in Tonstudios verwendet. Der bekannteste dieser Art ist vermutlich der
MC275.
Vor einiger Zeit begannen mich diese Verstärker zu interessieren,
weil sie oft
als 'legendär' bezeichnet werden, aber bis heute fast nur von
McIntosh gebaut wurden. Ich wollte es einmal ganz genau wissen.
Allerdings sollte es kein wattstarker Bolide
werden, sondern ein kleines Konzept mit der EL84.
Prinzip der Ausgangsstufe
Röhrenverstärker sind keine Blackboxen, hier ist die
Schaltung des MC275. Das Prinzip der
Ausgangsstufe zeigt folgende Zeichnung aus der Patentschrift von 1949:
Wie man sehen kann besteht hier die
Primärwicklung aus zwei gleichen bifilaren Wicklungshälften,
d.h. es werden beim Wickeln immer zwei Drähte gleichzeitig
nebeneinander auf den Kern gelegt, so dass man kapazitiv und induktiv
perfekt gekoppelte Wicklungsteile erhält. Dann werden beide
Einzeldrähte jeder Wicklungshäfte zwischen den Röhren so
aufgeteilt, das sich jeweils einer im Anodenzweig einer Röhre, der
andere im Kathodenzweig der gegenüberliegenden Röhre
befindet. Der eigentliche Trick dabei ist der, das beide Drähte
jeder bifilaren Wicklung stets auf gleichem Wechselspannungspotential
liegen, wechselspannungsmässig also parallel geschaltet sind,
dabei jedoch in gegensinniger Richtung und Phase vom Strom durchflossen
werden. Durch die feste Kopplung zwischen beiden Drähten entsteht
bei hoher Frequenz keine Phasendrehung durch Leckinduktivitäten im
Anodenkreis, so dass sich beide Röhren gegenseitig phasengleich
linearisieren und keine Abschaltverzerrungen auftreten. Bei
niedrigen
Ruheströmen wäre das sonst der Fall, weil die
Arbeitspunkte durch reaktive Anodenwiderstände dann bei steigender
Frequenz zunehmend gegeneinander phasenverschoben im Kreis
laufen, bis im Extremfall beide Röhren gleichzeitig sperren.
Auf dem Oszilloskop würde man diesen Effekt als eine Abflachung
auf einer Seite des Sinus beobachten. Da die Phasendrehung
im Anodenkreis hier vollständig eliminiert wird, hat selbst eine
drastische Verringerung des Ruhestroms zusammen mit der
Kathodengegenkopplung keine relevante Auswirkung auf die Messwerte
mehr. Streukapazitäten können sich ebenfalls weniger
auswirken, da beide Röhren effektiv auf parallelgeschaltete
Primärwicklungen arbeiten, wodurch die Impedanz zwischen beiden
Anoden auf ein Viertel sinkt. Man braucht natürlich die gleichen
Windungszahlen, aber es liegen ja immer zwei benachbarte Drähte
auf gleichem Spannungspotential, so dass über allen
Verlustkapazitäten die halbe Spannung liegt und deren Wirksamkeit
auf ein Viertel gesenkt wird. Ferner führt die Aufteilung der
Windungen zu einer effektiven Verdoppelung der
Verschachtelungstiefe (Interleaving), so das man gössere
Bandbreiten erzielen kann ohne zusätzliche Trennlagen und damit
Kapazitätsflächen zur Sekundärwicklung zu brauchen. Der
Übertrager kommt dann mit einer 5/4 Verschachtelung auf etwa
130kHz. Ausserdem führt natürlich noch
die Kathodengegenkopplung zu einer Linearisierung dieser Ausgangsstufe.
Wegen des geringen Bias erwärmen sich diese Verstärker kaum,
entsprechend hoch sind Lebensdauer der Bauteile und
Zuverlässigkeit, vor allem die Röhren halten so fast
unbegrenzt.
Bootstrapping und Treiberstufe
Damit die Röhren im Pentodenbetrieb arbeiten, müssen die
Schirmgitter auf einer festen Betriebsspannung liegen. Das wäre
hier jedoch nicht der Fall, da sich die Kathodenspannung mit maximal
der halben Betriebsspannung verändert. Da sich die Anode der
jeweils gegenüberliegenden Röhre mit gleicher Amplitude und
Phase bewegt, verbindet man sie einfach mit diesen
Punkten. Aus Sicht der Kathoden liegen die Schirmgitter jetzt auf einer
Festspannung, die Röhren arbeiten somit im normalen
Pentodenbetrieb. Ein Bootstrapping wird auch für die Treiberstufe
benötigt, da die Röhre sonst nicht den erforderlichen
Spannungshub aufbringen könnte ohne zu übersteuern. Ausserdem
ist eine Gleichspannungsankopplung der Endröhren vorteilhaft, um
ein sauberes Übersteuern zu gewährleisten.
Koppelkondensatoren vor den Endröhren würden sich durch den
einsetzenden Gitterstrom aufladen und kurzzeitig den Arbeitspunkt
herunterziehen, was bei niedrigem Ruhestrom zu einem gleichzeitigen
Sperren beider Röhren führen kann.
Ich habe hier nach einer möglichst effektiven Lösung gesucht
und bin dabei zu folgendem Prinzip gekommen: Da ich ohnehin eine
negative Spannung brauche, mache ich daraus eine negative
Betriebsspannung mit wenigen mA Belastbarkeit. Die Spannungsröhre
liegt dann auf negativem Potential. Darüber befindet sich eine
zweite Röhre als aktiver Widerstand, welche am Gitter die
Vorspannungseinstellung bekommt, an die Endröhren
gleichspannungsgekoppelt wird, und deren Anode mit dem Bootstrapping
verbunden wird. Die Stromröhre bewirkt hier eine gute
Unterdrückung der Rückwirkung vom Ausgang auf das Gitter der
Endröhren, so dass die Kathodengegenkopplung wirksam ist.
Wie das Schema für einen Kanal aussieht zeigt das Bild unten (zum
Vergrössern anklicken):
Mit dem Ruhestrom lässt sich experimentieren. Nach den
Datenblättern zur EL84 liegt das Optimum bei 7,5 mA, darunter
beginnt die Kennlinie flach auszulaufen. Weil er im
Betrieb noch absinken kann, sollte es allerdings etwas mehr sein. Ich
kann sogar bis fast zum Sperren der Röhren abdrehen und es
klingt noch immer gut. Bei der Defininition von Klasse-B und Klasse-AB
kommt es manchmal zu etwas Verwirrung, weil in der Fachliteratur oft
ein Betrieb ganz ohne Ruhestrom als Klasse-B
bezeichnet wird. In diesem Fall würden aber für einen kleinen
Teil der Kennlinie beide Elemente gleichzeitig sperren, weshalb das
eigentlich ein
Klasse-C Betrieb wäre. Bei der Wahl des Ruhestroms gibt es
für den Klirrfaktor ein Optimum, das bei der EL84 7,5 mA
beträgt. In der Röhrenzeit hat man dieses Optimum immer als
Klasse-B definiert, während ein hoher Arbeitspunkt (d.h. Klasse-A
im praktisch genutzen Bereich und der Rest zum Übersteuern) als
Klasse-AB bezeichnet wird.
Die Übertrager
Gewickelt wurden sie auf M102a-Kerne aus hochwertigem
Übertragerblech. Wie McIntosh seine Übertrager genau aufbaut
ist mir leider unbekannt, es wurde nur das konventionelle Schema
für einen Zweikammerkern mit 5/4 Verschachtelung in
eine bifilare Wickelanordnung übersetzt. Die
Primärwindungzahl habe ich allerdings mit >4000 Windungen etwas
höher angesetzt
als sonst üblich. Der Grund ist einfach, das man das hier wegen
des Prinzips machen kann ohne sich dabei zwangsläufig wieder
Nachteile bei hohen Frequenzen einzufangen. Als Folge zeigt der
Verstärker Kontrolle bis unter 20Hz und einen satten Tiefbass, was
man bei kleinen EL84-Verstärkern meistens nicht so zu hören
bekommt. Zur Herstellung verwende ich eine selbstgebaute
Wickelmaschine. Wichtig ist bei der bifilaren Wicklung nur, das die
Zugspannung auf beide Drähte getrennt wirken muss, damit sich
Ungleichheiten sofort ausgleichen können. Ich verwende dafür
recht einfach zwei übereinanderliegende Metallstangen, um die ich
die Drähte ein paarmal im Zickzack lege, das erzeugt dann beim
Aufwickeln die notwendige Zugspannung. Anschliessend werden die
Drähte auf der Führung durch ein kleines Loch
zusammengebracht, so dass sie sich dann sauber nebeneinander auf
den Kern legen. Ohne Vakuumtränke bringe ich dann nach jeder Lage
etwas Fixierlack auf, dann kommt eine Trennlage und die Nächste
wird gewickelt. Wichtig ist, das die
Primärwicklung auf beiden Kammern gegensinnig gewickelt wird.
Sonst läge nachher die eine Anode am äusseren Ende, die
andere innen.
Da aber innen wegen des geringeren Wicklungsumfangs auch weniger
Kapazitäten auftreten, sollte am äusseren Ende für beide
Seiten die Betriebsspannung liegen. Trennen
lässt sich zwischen den Wicklungen mit 3 Lagen 0,06mm gefiederter
Polyesterfolie oder (weil ich davon noch Bestände hatte)
Isolierpapier. Zwischen den Lagen reicht 0,04mm Lackpapier.
Die Sekundärwicklung ist mit 5 Ohm angegeben, dabei werden etwa 26
Watt Sinus Dauerleistung erzeugt.
Unten sieht man nochmal die
Bias-Einsteller mit den zugehörigen
Testpunkten.
Schaltungen
Verstärker
Netzteil
Berechnen
und Wickeln eines HI-FI-Gegentakt-Übertragers für EL84