OTL30S MK II – Jetzt gibt´s was auf die Ohren!

Bis vor kurzem hörte ich Musik fast ausschließlich über meine Lautsprecher-Boxen. Ich war der Meinung, dass selbst ein guter Kopfhörer immer nur ein Kompromiss bzw. eine „Notlösung“ sein kann!

Diese Meinung verstärkte sich bei mir noch, da ich seit ein paar Jahren Hörgeräte trage und man häufig liest oder erzählt bekommt, dass Hörgeräte und Kopfhörer nicht richtig zusammen funktionieren.

Als mich also mein Sohn vor ein paar Monaten fragte, ob ich nicht mal einen Kopfhörerverstärker mit Röhren bauen könnte, tat ich es ihm zuliebe, aber nicht aus wirklicher Überzeugung. Doch ich sollte eines Besseren belehrt werden…

Nach etwas Recherche war klar, ein OTL-Verstärker sollte es sein.

OTL = Output Transformer Less

Einen Röhrenverstärker ohne Ausgangsübertrager zu bauen, wollte ich schon immer mal machen. Im Netz fand ich eine Schaltung, welche Bernd Fischer (www.röhrenkiste.de) im Jahre 2010 veröffentlicht hatte. Mir gefiel die Einfachheit der Verstärker-Schaltung und dass dieser Verstärker mit Kopfhörern von 30 bis 600 Ohm funktioniert.

Bei beiden Doppeltrioden wird pro Kanal ein System verwendet. Die Röhren arbeiten im Class A Betrieb, so dass es keine Übernahmeverzerrungen gibt. Daher entschied ich mich dafür, genau diesen Single-Ended OTL-Verstärker nachzubauen.

Die Verstärker-Schaltung habe ich mit minimalen Änderungen übernommen. Der Ein/Aus-Schalter für die Loudness war ja bereits vorgesehen. Auf Anregung meines Sohnes habe ich die Wirkung der Loudness-Schaltung von außen einstellbar gemacht. Die wenigen Bauteile hierfür wurden direkt hinter der Frontblende verbaut.

So entstand die erste Version, der rot/goldene OTL30S, welcher wirklich genial klingt. Einen ausführlichen Baubericht über diese Version findet man unter: https://lbhe.de/2023/08/07/kein-kalter-kaffee/

Nach der Fertigstellung testeten wir den Kopfhörerverstärker, mit verschieden Kopfhörern und unterschiedlichsten Musikstücken, auf „Herz und Nieren“. Tja, wer hätte es gedacht, aber dabei bin ich dann irgendwann, so richtig auf den Geschmack gekommen!

Die Hinterohr-Hörgeräte stellen überhaupt kein Problem dar, weil ich Überohr-Polster für die Kopfhörer verwende und mit dem Musikprogramm, der Smartphone-App, meinen persönlichen Klang noch etwas optimieren kann.

Da dieser OTL-Verstärker sehr kompakt ist, kann er nicht nur an der heimischen Musik-Anlage betrieben werden, sondern auch mit auf Reisen genommen werden. Dem Röhren-Sound im Wohnwagen steht so z.B. nichts mehr im Wege und die Nachbarn auf dem Campingplatz werden es einem danken!

Daher war mein Entschluss schnell gefasst. „So ein Teil brauche ich unbedingt auch!“

Das bewährte Gehäuse, eine Kaffee-Kapsel-Aufbewahrungsschublade, war schnell für kleines Geld im Kleinanzeigen Markt gefunden, nach Sichtung der Restekisten wurden noch die fehlenden Teile bestellt.

Unter anderem bei BTB, die Mundorf Alu in Oil Kondensatoren, die 6922EH und E88CCJJ (für das Sound-Tuning) und der bewährte Hammond Heiztrafo (183J12).

Einen ausführlichen Bericht zum DC-Netzteil, für die Heizung der Vorstufenröhre mit dem Hammond Heiztrafo, findet man auf Jogis Röhrenbude unter:
https://www.jogis-roehrenbude.de/Bastelschule/DC-Heizung/index.htm

In der MK II Version hat das DC-Netzteil stärkere Gleichrichter-Dioden vom Typ 1N5059 (2A), anstelle der 1N4007 (1A), erhalten. Das war notwendig, da manche ECC88, wie z.B. die von Philips, im kalten Zustand kurzzeitig einen Einschaltstrom von bis zu 1,2A zieht und dies ab und zu die 1A-Sicherung im DC-Netzteil auslöste.

Jetzt ist mit 1,6A abgesichert und es läuft alles stabil.

Aufgebaut wurde das DC-Netzteil, wie schon bei Version 1, auf einer Lochraster-Platine, das geht, bei diesen wenigen Bauteilen, recht einfach und schnell.

Meine „MK II – Version“ wurde Limette-Grün lackiert und die Elemente auf Front und Rück-Seite sind, im Vergleich zur roten Version, anders angeordnet.

Vorne die Bedienknöpfe wurden rechts und links positioniert, so dass die Front nun eher an alte Röhren oder Auto-Radios erinnert.

Das, mit einem Messing-Gehäuse abgeschirmte, Schaltnetzteil wurde anders platziert um mehr Platz für die 230Volt-Komponenten zu schaffen.

Außerdem hat der MK II im Signalweg „Alu in Oil“ Kondensatoren erhalten. Ob sich dies wirklich signifikant auf den Klang auswirken wird, müssen die zukünftigen Hörtests noch zeigen. Auf jeden Fall sehen sie schon mal sehr edel aus und geben ein gutes Gefühl.

Die Endstufenröhre 6AS7G bzw. 6H13C wird direkt per Wechselspannung geheizt und über zwei 47Ohm Widerstände symmetriert.

Da ich, aus optischen Gründen, keine große Drossel für die Anodenspannungs-Siebung auf das Gerätgehäuse platzieren wollte, habe ich zwei große 470μF Kondensatoren verwendet.

Mit weniger elektrischen Bauteilen in der Verstärker-Schaltung, kann man wohl kaum einen wohlklingenden Röhrenverstärker, mit einstellbarer Loudness, bauen.

Da es nur eine Verstärkerstufe gibt, welche in Kathodenbasisschaltung arbeitet, ist das Ausgangsignal um 180° phasengedreht. Das macht aber im Klang keinen Unterschied und minimiert Bauteilaufwand und somit auch Rauschen. Die Gegenkopplung erfolgt über den Mittelabgriff der beiden Kathoden-Widerstände.

Da Spanngitterröhren wie die ECC88 eine hohe Steilheit und einen besonders kleinen Durchgriff haben, reicht eine Verstärkerstufe vollkommen aus. Wegen der niedrigen Anodenspannung arbeitet die Vorstufenröhre außerhalb der üblichen Kennlinien. Wer hierzu mehr Informationen benötigt, dem sei nochmal die Webseite von Bernd Fischer (www.röhrenkiste.de ) empfohlen, dort gibt es eine sehr ausführliche Dokumentation zu dieser Schaltung. Jedenfalls funktioniert diese Schaltung, mit kompatiblen Röhren unterschiedlicher Hersteller, einwandfrei und klingt einfach genial.

Die niederohmige Endstufenröhre 6AS7G/ 6H13C arbeitet als Kathodenfolger (Anodenbasisschaltung), trägt somit nichts mehr zur Verstärkung bei und wird nur noch als Impedanzwandler genutzt, was den OTL-Betrieb von niederohmigen Kopfhörern ermöglicht.

Für genügend Belüftung ist auch gesorgt, da sowohl Front, Rückseite und Boden aus Alu-Lochblech hergestellt wurden.

Ich bin jedenfalls restlos begeistert von dem Klang, welchen dieser Verstärker hervorbringt und höre jetzt doch öfter Musik mit Kopfhörern!

Tipp - Für Hörproben verwenden wir auch gerne Musik von Yosi Horikawa, einem japanischen Musiker und Sounddesigner. Seine Musik mit Naturgeräuschen und verschiedensten Klängen kann man wunderbar für den Test von Verstärkern verwenden.

Weitere Infos zu Upcycling und Low Budget High End Projekten gibt es unter www.lbhe.de

Dirk Seelos

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