Vorverstärker mit ECL 86

Gute High-Endstufen besitzen in den seltensten Fällen einen Vorverstärker für die standesgerechte Signalaufbereitung, dieser steht meist in einem separaten Gehäuse daneben. Ein Vorverstärker hat mehrere Aufgaben zu erfüllen: Mit ihm werden die verschiedenen Tonquellen angewählt, deren Signale werden nach Bedarf verstärkt, man stellt Balance- und Lautstärke ein und für Tonbandaufnahme und Kopfhörerbetrieb wird jeweils ein Ausgang zur Verfügung gestellt. - Weiterhin erwartet man im allgemeinen, daß in einem guten Vorverstärker auch eine Klangregelung einbezogen ist - die Klangpuristen verzichten aber lieber auf eine Klangaufbereitung - sie sind der Meinung, daß in einem guten Verstärker eine Klangbeeinflussung nichts zu suchen hat, die Musik (oder das, was manche dafür halten) soll so aus der Lautsprecher-Anlage hinauskommen, wie sie in den Verstärker hineingelangte - nur eben : verstärkt ..
Hier kann und darf man aber (Gott sei Dank..) geteilter Meinung sein.. - im folgenden Bild wird der Schaltplan eines Vorverstärkers ohne jegliche Klangregelung vorgestellt.


Bei diesem Vorverstärker wurde auf eine ungewöhnliche Lösung zurückgegriffen. Die klassischen Vorverstärkerröhren sind ECC 81, ECC 82 und ECC 83. Oft findet man auch die EF 86 oder sogar die ECC85 sowie die ECC 88.
Die ECL 86 ist eine spezielle Verbund-Röhre, die in den Rundfunkempfängern der Röhren-Hoch-Zeit, etwa von 1962 bis zum endgültigen Ende um etwa 1968, Einsparungen brachte. - Ihr Vorläufer waren die leistungsschwächere ECL 82, davor die noch schwächere ECL 80, ECL 113 (Rimlock-Röhre), etc.
Indem man ein Triodensystem mit einer Leistungspentode in einen Kolben integrierte, konnten Platz und Verdrahtungsaufwand gespart werden. In den Rundfunkempfängern - nach dem Hochfrequenzgleichrichter wie die EABC80 - wurden Lautstärke-, Balance-sowie Höhen-und Tiefensteller vor oder um diese Doppel- oder Verbundröhre aufgebaut.
Das Triodensystem sorgte für eine ausreichend hohe Verstärkung, die steile Endpentode brachte auch noch ausreichende Verstärkung, so daß insgesamt für eine genügend hohe Eingangsempfindlichkeit des NF-Teils gesorgt war.
Für einen Stereo-Verstärker bietet die ECL 86 besondere Vorteile, nicht nur die einer Endstufenröhre !
Das Triodensystem ist mit einer halben ECC 83 identisch. Dieses bietet eine hohe Leerlaufverstärkung von ca. 100. Der Pentodenteil kann mit Strömen bis 36 mA aufwarten, was im Betrieb als Leistungsverstärker für 4 W ausreicht. Die Triode ist, wie im oberen Schaltbild erkennbar, über R2 gleichstrommäßig eingestellt.
Wechselstrommäßig sind R2 und R5 parallel geschaltet, was eine höhere Leerlaufverstärkung ermöglicht. Über C1 gelangt das Signal an das Steuergitter der Pentode, diese ist über die Kathodenwiderstände kräftig gegengekoppelt.
Durch die gewählte Beschaltung wird die Pentode auf etwa 20 mA Arbeitsstrom festgelegt und durch eng tolerierten (!!) Widerstände streng an ihren Arbeitspunkt gezwungen. Engtolerierte Metallschicht- und Metalloxidwiderstände halten die Daten der Verstärkerstufen auch über lange Zeit konstant.
Über C7 und C8 wird das Signal ausgekoppelt, hier werden zwei Auskoppelelkos parallel geschaltet. R 13 sorgt für gleichstrommäßige Entladung der Auskoppelelkos. Zur Signalkopplung wurden extra Elkos mit relativ hoher Kapazität gewählt - dadurch ist sichergestellt, daß bis zu tiefsten Frequenzen kein nennenswerter Abfall oder "Phasengang" eintritt. Beim Einsatz guter Elkos ist mit keinerlei Signalverfälschung, d.h. Klirrfaktor, zu rechnen.
Über R4 wird das Ausgangssignal auf die Kathode der Triode gegengekoppelt. Durch einfaches Verändern von R4 kann die Verstärkung der Anordnung eingestellt werden.
Die Betriebsspannung wird über R14 und C6 entkoppelt. - Im Netzteil muß für ausreichende Siebung gesorgt werden, somit haben diese Bauteile nur noch Entkopplungsfunktion. Die Zuleitungen sowie der unterschiedliche Strombedarf der verschiedenen Verstärkerteile, die über die Betriebsspannung Einfluß nehmen könnten, werden dadurch eliminiert.
Die Betriebsspannung der Triode wird zusätzlich über R8 und C2 entkoppelt. R7 dient als Entladewiderstand. - Falls die Schaltung unter Strom gesetzt wird, ohne daß eine Röhre steckt oder wenn die Heizung ausgefallen ist, sorgt dieser Widerstand nach dem Abschalten des Stroms für eine Entladung der Elkos. Eine nicht zu unterschätzende Sicherungsvorrichtung! - Gute Elkos können auch 14 Tage nach dem Abschalten noch gefährliche Spannungen behalten.
Bei der hier vorgesehen Anwendung hat diese vorgestellte Schaltung den Vorteil, daß damit sehr klirrarme, aber doch röhrentypische Verstärkung nach Belieben möglich ist. - Hoher Eingangswiderstand und ein wirklich niederohmiger Ausgang garantieren dies.
Bei rund 12 mA Treiberstrom können am Ausgang, vom Vorverstärker zur High-Endstufe, ohne Bedenken längere Kabel angeschlossen werden, ohne daß jeglicher Qualitätsverlust zu befürchten ist. Außerdem besteht durch den Einsatz eines solchen Vorverstärkers absolut keine Notwendigkeit, überteuerte "Superkabel" einzusetzen.
Wie ich weiter oben bereits erwähnt hatte sind die üblichen Vorverstärker meist mit ECC 83 oder ähnlichen Doppeltrioden aufgebaut. Mit diesen Röhren muß meist recht hochohmig und damit störanfällig gearbeitet werden. Weiterhin kann man bei vielen Konzepten einen starken Anstieg des Klirrfaktors bei höherer Aussteuerung und niederohmigen Lasten nicht nur mess-, sondern auch hörbar beobachten.
Mit der ECL 86 geht man diesen Problemen sehr elegant aus dem Weg. Der Triodenteil sorgt für hohe Verstärkungsreserven. Zwangsläufig muß hier mit niedrigem Strom gearbeitet werden, was hochohmige Beschaltung nach sich zieht. Gäbe man solche Signale auf längere Leitungswege, müßten aufgrund der unvermeidlichen Schalt-und Kabelkapazitäten Verluste im Hochtonbereich hingenommen werden. - Deshalb müssen beim Aufbau eines mit der ECL 86 aufgebauten Vorverstärkers sämtliche Verdrahtungswege innerhalb des Schaltungsaufbaues denkbar kurz ausfallen, damit hier nichts zu befürchten ist.
Damit ein Vorverstärker HiFi-gerecht wird, müssen an ihn einige Anforderungen gestellt werden. Geht man von einem CD-Player mit einer Kanaltrennung von 100 dB bei 10 kHz direkt in Monoendstufen, ist praktisch mit keiner wesentlichen Verschlechterung des Signals zu rechnen. Wird ein Vorverstärker zwischengeschaltet, sollte dieser für Störabstand, Klirrfaktor und Kanaltrennung beste Werte aufweisen.
- Die Kanaltrennung hängt aber sehr stark vom mechanischen Aufbau ab !

Im Netzteil darf hier in keiner Weise gespart werden, will man exzellente technische Daten und bestmöglichen Klang haben. Brummstörungen sind immer lästig, vor allem wenn Kopfhörerbetrieb vorgesehen ist. Kopfhörer werden auch als "akustische Lupe" bezeichnet, die Störsignale gnadenlos aufzeigen. Geregelte Anodenspannungen und Gleichstromheizung sind deshalb hier unbedingt notwendig.

Die meisten HiFi-Freunde lieben den Klang pur ohne jegliche Veränderung - wie oben schon bemerkt wurde. In manchen Fällen sind aber doch, wie ich meine Klangeinsteller notwendig. - Seien es schwierige Raumverhältnisse oder teure Boxen, die man nicht ausmustern will, - manche müssen ihren eigenen Gehörfehler etwas korrigieren können, wenn z.B. das Ohr im Hochtonbereich unempfindlicher geworden ist - es gäbe noch sehr viel mehr Gründe hier aufzuzählen, die für eeine Klangregelung sprechen. - Deshalb ist auch hier, auch der Vollständigkeit halber, eine aktive Klangeinstellung - diesesmal dann mit einer ECL 86 - beschrieben.
Im folgenden Bild ist das Blockschaltbild einer passiven Klangregelung gezeigt, wie ich es bereits auf der Vorverstärker-Seite beschrieben hatte.


Ich gebe aber hier absichtlich einer aktiven Lösung den Vorzug. - Passive Klangsteller haben in der Regel eine Einfügungsdämpfung von 20 dB, die Einstellkurven sind nicht unbedingt symmetrisch zur Bezugsfrequenz von 1 kHz- bzw. zur 0-dB-Linie.
Die Störanfälligkeit hochohmiger Schaltungen wurde auch schon mehrfach erwähnt. Es gibt aber auch die andere Lösung, bei der vor und hinter den passiven Klangstellern jeweils ein Nachverstärker geschaltet ist. Dafür genügt eine Doppeltriode pro Kanal. Damit hat man zwar die Dämpfung eliminiert, nicht jedoch das Problem der Hochohmigkeit.
Im folgenden Bild ist die Schaltung, wieder mit der ECL 86, gezeigt.


Die Röhre mit ihrer Beschaltung stellt den Vorverstärker mit aktiver Klangregelung (mit typischer "Kuhschwanz-Charakteristik") dar. Mit ihm haben wir einen hohen Eingangswiderstand, einen niedrigen Ausgangswiderstand und genügend Verstärkungsreserve.
Der Stellbereich der Klangregelung wurde auf ±10 dB, bezogen auf die Endfrequenzen, festgelegt, dieses genügt bei weitem für Klangkorrekturen. Die im Bild vorgestellte Klangregelung läßt sich jederzeit in einem der bereits beschriebenen Verstärkerkonzepte einfügen.

Dieser Vorverstärker hat, wenn man so will, einen Plus- und einen Minus-Ausgang. Gegenüber dem Steuergitter der Triode hat die Kathode der Pentode negative Phasenlage. Damit haben wir den invertierenden Ausgang. Von hier könnte man das Signal auch ausgekoppeln. - Man kann es allerdings ebenfalls niederohmig an der Anode der Pentode abnehmen, mit gleicher Phasenlage wie das Eingangssignal. Damit läßt sich die Klangregelung bequem und phasenrein in vorhandene Konzepte einschleifen.
Wer diese Schaltung in eines der beschriebenen Endstufenschaltungen einfügen möchte, kann dies ohne Bedenken tun.

- Die Stromversorgungen sollten jedoch so ausgelegt sein, daß jederzeit genügend Reserven für den höheren Heiz- und Anodenstrombedarf der ECL 86 zur Verfügung stehen.

Quellenhinweis: Author dieser Schaltung und größtenteils auch des Artikels ist Herr Gerhard Haas aus Herbrechtlingen, veröffentlicht in Elektor 2000, Hefte Mai bis September.

Mit freundlicher Genehmigung Elektor-Verlag GmbH, Aachen. Quelle: "High-End mit Röhren" von Gerhard Haas www.elektor.de.




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