Bauen wir's doch selbst!

Ein Artikel eines GFGF-Vereinsfreundes [siehe im Anhang, 1], Herrn Dietmar Schneider aus Sachsenheim - mit seiner ausdrücklichen, freundlichen Genehmigung.

Was selber bauen? - Das Radio natürlich ... das ganz alte Radio ... so wie in den Zeiten des Anfangs: 1918.. 1925.
Warum?
Da gibt es eine Menge guter Gründe. Der Kauf eines "echten" alten Radios - eines "Audions" - ist für den "Otto-Normal-Sammler" meist zu kostspielig. Wer kann schon mehr als 1000,- DM für ein altes Originalgerät bezahlen?
Tauschen ist auch sehr schwierig. Wer gibt denn gegen fünf neuere Geräte ein altes Radio ab? Flohmärkte sind kaum noch ergiebig, hier sind die Geräte aus den 60er Jahren schon teure Antiquität. Manche Sammler sehen diese uralten Radios als Kapitalanlage und legen sich ein "Fort Knox" zu.

Das sind aber nur negative Antworten zur oben gestellten Frage "Warum?"
Soll man nun auf das alte Radio verzichten? Nein! Wir bauen uns ein altes Radio selbst!
Zwei Hauptrichtungen bieten sich dem Sammler hierzu an: Der originalgetreue Nachbau eines vormals von der Industrie gefertigten Gerätes, bis auf die letzte Schraube genau, ist für den Spezialisten eine wahre Wonne. Er hat damit eine alte Einrichtung wieder erstehen lassen, auf deren Gestaltung er aber keinen Einfluß nehmen darf.
Nicht jeder kann das. Der Radio-Bastler wird daher einen einfacheren, viel mehr befriedigenderen Weg gehen. Er baut ein Gerät nach alten Bauunterlagen, möglichst mit den Mitteln und Methoden und mit eventuell zur Verfügung stehenden Bauteilen aus der Anfangszeit der Radiotechnik. Das persönliche Erlebnis auf diesem Weg ist das Zurückversetzen in jene Zeit der "Welleneuphorie" und das Gefühl des Aufbaues einer neuen und unbekannten Technik, mit der man sich nicht nur auseinandersetzt, sondern der man auch eine eigene, meist äußere Gestaltung (Gehäuse usw.) geben kann.

Der Radiobastler baut sein Unikat! Wie tut man's also?
Zunächst muß man sich Informationen und Unterlagen verschaffen. Die gibt es genug. Der Wilhelm-Herbst-Verlag [siehe im Anhang, 2] hat Nachdrucke alter Radio-Bastelbücher herausgebracht. Diese sind ausgezeichnet. Sie bieten bis zum Werkzeug (man brauchte sogar einen kleinen Amboss!) eine umfassende Information. Und das besonders Schöne daran ist die Beschreibung zum Selbstbau fast aller Teile. Da werden aus Graphitlinien Hochohmwiderstände geformt; mit Paraffinpapier, Folie und Bügeleisen stellt man Festkondensatoren her; Drehkondensatoren werden aus einzelnen Platten zusammengesetzt; Spulenwicklerwerkzeuge gebaut und die Spulen gewickelt; und so geht es fort. Besonders interessant ist die Anfertigung von Detektoren einfacher Ausführung und für Experiementierzwecke mit 3 verschiedenen Kristallen. Ja, es gibt sogar Rezepte, um Bleiglanzkristalle zu züchten!
Wer nun noch ein wenig handwerkliches Geschick mitbringt und einige gute Werkzeuge besitzt (eine kleine Drehbank ist ideal) kann sich der Freude des Selbstbaues hingeben.

Nachfolgend sind einige Geräte beschrieben, die nach den alten Anweisungen gebaut wurden und als Glanzstücke in jeder Radiosammlung stehen sollten.

Reise-Primärdetektorempfänger
Wesentliche Bauteile sind eine dicke, mit Lack getränkte Papprolle für die Spulenwicklung, zwei Holzscheiben - eine davon zur Aufnahme der Anschlußbuchsen, die Abgreifvorrichtung für die Spule und der Detektor selbst.
Der Detektor ist ein englisches Experimentiermodell, welches durch eine federnde Kristallhalterung gekennzeichnet ist. Man kann daher den Kristall allseitig abtasten und natürlich auch sehr leicht auswechseln.


Primärdetektorempfänger mit Variometerabstimmung.
Dieses Gerät (Bild 2 und 3) in einen selbstgebauten und mit Mahagoni furnierten Holzkasten eingesetzt, zeichnet sich durch gute Trennschärfe aus. Diese ist dem Variometer zu verdanken. Allerdings ist der Wellenbereich etwas begrenzt, so daß man mit Verlängerungsspulen arbeiten muß. Die Anfertigung des Variometers zu beschreiben, würde an dieser Stelle zu weit führen. - Es geht aber auch hier mit Mitteln und Methoden einfachster Art zu und macht darüberhinaus auch großen Spaß.


Sekundärempfänger mit Nf-Verstärkung
Ein wirklich gutes Stück! (Bild 4 und 5). Der Holzkasten ist als Pult mit Mahagoni furniert worden. Der Spulenhalter mit Schwenkteil besteht aus Hartpapier und Messingteilen. Die Spulen sind aus altem, doppelt mit Baumwolle umwickeltem Draht hergestellt. Als Drehkondensatoren wurden uralte Typen mit Hartpapierdielektrikum verwendet. Die Röhre ist eine alte Ultra-Röhre, deren Heizstrom über einen alten Heizwiderstand eingestellt wird. Die Schaltung und die verschiedenen Bauinformationen stehen in der oben erwähnten Literatur. Als Detektor wurde eine Experimentierausführung angefertigt, bei dem die Abtastung von drei verschiedenen Kristallen, z. B. Bleiglanz, Zinkit und Carborundum möglich ist.




Das Gerät ist gut abstimmbar, durch die Steckspulen an verschiedene Wellenlängen bis hin zu Längstwellen anzupassen und bringt den Ortssender über einen Trichterlautsprecher in guter Zimmerlautstärke.

Diese Beispiele sollten den Reiz und die Freude am Selbstbau alter Geräte zeigen. Man fühlt sich tatsächlich in die Anfangszeit der Radiotechnik versetzt und man begreift vor allem die Einfachheit der damaligen Ideen und ihren physikalischen Hintergrund.
In diesem Sinne kann man nun mit dem Bauen fortfahren und kommt so nach und nach zu einer wunderschönen und variantenreichen Radioreihe, zu der man stolz sagen kann "Ich hab's so wie die Alten hingekriegt!"

Daher: Bauen wir's doch selbst!

[1]GFGF das ist das Kürzel des Vereines Gesellschaft der Freunde der Geschichte des Funkwesens e.V.
Der Verein hat etwa 2000 Mitglieder, quer durch Deutschland verteilt. Viele der Mitglieder sind Radio-und Fernsehtechniker oder -Meister bis hin zum Ingenieur in den verwandten Fachberufen. Wer also als Mitglied Rat und Hilfe benötigt, findet praktisch immer ausreichend Möglichkeiten...
Wer Interesse hat, Mitglied zu werden, der wende sich an den Schatzmeister des Vereins,
Herrn Alfred Beier, Försterbergstraße 28, 38644 Goslar - E-Mail: beier.gfgf@t-online.de

Literatur:
[2]Günther, Hanns: Schaltungsbuch für Radioamateure, Reprint Wilhelm Herbst Verlag, Köln. ISBN 3-923 925-12-3

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