Die Geschichte der Russischen Roehren
- zumindest einen Interessanten - und mit Sicherheit lehrreichen Teil der Geschichte




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Diese Seite entstand mit wesentlicher, freundlicher Unterstützung von Alexander Wasilyewitsch Gornyakov sowie Andreas Schwarz. Meinen ausdrücklichen Dank an beide, ohne sie hätte diese Seite nie entstehen können !

Alexander Wasilyewitsch Gornyakov sandte uns interessante Ausführungen zur frühen russischen Röhrenproduktion, welche wir ungekürzt wiedergeben. In diesem Zusammenhang nochmals herzlichen Dank an Alexander!

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Die ersten Bemühungen zur Röhrenklassifikation waren 1929: ein Buchstaben-Ziffern-Code, welcher sich bis in die 40er Jahre hielt:

Der erste Buchstabe ordnete die Röhre ein: П приемная = Empfängerröhre (universell);
У усилительная = Verstärkerröhre;
С специальная = Spezialröhre;
В выпрямительная = Gleichrichter;
Т трансляционная = Trägerfrequenzröhre;
Н низкочастотная = NF-Röhre;
Г генераторная = Oszillatorröhre.
Der zweite Buchstaben richtete sich nach der Kathodenbeschichtung: Т торированный = thorierte Kathode;
К карбидированный = Karbidkathode;
О оксидированный = Oxidkathode;
Б бариевый = Bariumkathode.
Es folgt eine Zahl, allgemein fortlaufend entsprechend der Röhrenentwicklung zur Unterscheidung verschiedener Röhrentypen einer Kategorie.
1931 erfolgte die erste Röhrenstandardisierung: insgesamt 15 Standards in 4 Gruppen. Mit der Annahme dieser Normen erschienen die ersten Röhrenreihen: - preiswerte direkt geheizte Röhren mit 2-Volt-Heizer: СБ242, СО241, СБ244...; Ähnlichkeit zur Serie RES242, RE402B, K-Serie.
- preiswerte direkt geheizte Röhren mit 4-Volt-Heizer: УБ107, УБ110, УБ132, СБ154...; es besteht eine Analogie zur Serie RE034 / RES174d.
- eine "Super"-Serie indirekt geheizter (4 Volt) Röhren: СО124, СО118, СО122; auch hier wieder vergleichsweise die Serie RE304, RES164d, RGN354 / RGN4004.
Ein typischer Röhrensatz in einem teueren Geradeausempfänger der Jahre 1932-34 war СО124 (Tetrode), 2 mal СО118 (Triode), УО104 (Leistungstriode), BO116 (Gleichrichter).
Der erste erschwingliche Empfänger für den Massenbedarf war der СИ235 (1935, als Vorbild diente der Telefunken WL-231), er enthielt: CO148 (variable-µ-Tetrode), CO124 (Tetrode), СО122 (Leistungspentode), BO202 (Gleichrichter).
Ein Batterieempfänger enthielt СБ242, 2 Stück СО241 und СБ244.
Die ersten Kinoverstärker waren bestückt mit zwei CO118, zwei УО104 (oder УО186, ein perfekter "Zwilling" zur AD1) und ВО188.
Weitere, im Rundfunkbereich eingesetzte, Röhren waren die PO-119, die CO-182, die CO-187 und die CO-193, die 4F6S, die hier als 4- und als 6-Volt-Type gezeigt wird - oder auch die moderne CO257 von 1961.

Andere Röhren in damaligen Listen wurden in Meßgeräten und Telekommunikationsverstärkern eingesetzt.

Weitere alte und "uralte" Röhren, dabei auch, wie hier bereits gezeigt, Röhren die vor, im und kurz nach dem zweiten Weltkrieg in Russland produziert wurden, werden am Ende dieser Seite (nach und nach.. - immer mal wieder reinschauen! Es wird spannend!) vorgestellt.

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Einen weiteren interessanter Artikel über eine Besonderheit der Behandlung von Bariumkathoden im Leningrader Röhrenwerk "Svetlana" gegenüber der weltweit von Philips eingesetzten Technik verdanken wir Alexander Gornyakov; sinngemäß (anschliessend) übersetzt:


- Die Übersetzung:
Im Werk "Svetlana" wird eine andere Methode für die Herstellung von Bariumkathoden angewandt. Ein Wolframfaden wird elektrolytisch mit Kupfer beschichtet und anschließend unter Wasserdampf auf 850 - 900°C zur Oxydation des Kupfers erhitzt. Der Wasserdampf verhindert die Bildung höherer Wolframoxyde, welche später Bariumwolframat bilden könnten. Die besten Ergebnisse erzielt man bei Wasserdampferzeugung im Bereich von 78 - 85 °C. Der so behandelte Wolframdraht wird zur Kathode einer Röhre verarbeitet; auf die Anode dieser Röhre wird eine kleine Portion einer Mischung aus Bariumoxyd, Bariumperoxyd und Aluminium befestigt.
Nach dem Evakuieren der Röhre wird die Kathode geheizt; die Anode induktiv erwärmt. Schon bei geringer Erwärmung verbindet sich der Sauerstoff mit dem Aluminium, wird das Barium reduziert - diese Reaktion gibt ausreichend Energie für das Verdampfen des Bariums in der Mischung. Die Bariumdämpfe schlagen sich auf der Kathode nieder und ergeben wie bei anderen Methoden zunächst eine für die Emission inaktive Schicht. Die Aktivierung der Kathode erfolgt bei höherer Temperatur von ca. 1100K (= 826,85°C; durch Heizen mit 6,5 Volt statt der Sollheizspannung 4 Volt), dabei trennt sich das Barium aus der Legierung mit dem Kupfer und bildet eine aktive monomolekulare Schicht. Die Arbeitstemperatur dieser Bariumkathode liegt im Bereich von 700...900K; die Emission bei dieser Temperatur beträgt 70...120 mA/Watt Heizleistung.

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Alexander Gornyakov übersandte schwer zu findende Auszüge von Datenübersichten dieser Röhren (1931).

Gleichrichter:


Trioden:


Tetroden:


Pentoden:



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Die Geschichte des Petersburger Röhrenwerkes "Svetlana"

Zunächst ein Auszug aus der Webseite (www.svetlanajsc.ru) dieser Firma:

Svetlana JSC (the former Leningrad Association of electronic instrument making "Svetlana") is the founder and one of the leaders of electronic industry in Russia.
Beginning of Svetlana JSC activity dates back to the 1889.
Svetlana experienced several stages of its development from the date of foundation till the Great Patriotic War. That period influenced the scientific and technological progress and industrial development of Russia.
The first bulb with a metal filament was produced in 1914.The output of this production became large-scale in 1920. In 1929 Svetlana organized batch production of radio tubes and became the center of electronics in USSR. The Sectoral Vacuum Laboratory was established on Svetlana’s premises in 1933.It became the major scientific research centre for Russian electronics. In 1937 Svetlana got the Grand-Prix for its power grid tubes at the international exhibition of art and technology in Paris. That was the start of the radio broadcasting development.

In 1952 the first double focus X-ray tube was developed in USSR.
In 1973 Leningrad Designed and Technology Bureau became a part of the company. Svetlana started manufacturing highly integrated chips based on MIS devices.
In 1976 for the first time in USSR Svetlana developed the single-board computer Electronica C5-11 to manage technological process.
In 1992 Svetlana was transformed into a public company.
In 1997 Svetlana joined the public company ROSEL (Rossiyskaya Electronica), the largest Russian electronics holding company.
....
The most strong positions Svetlana has in sphere of development and production of power electrovacuum devices, klystrons and x-ray tubes.

Interessant ist vielleicht in diesem Zusammenhang, daß die Röhrenproduktion im Jahre 1928 durch Eingliederung eines kleinen Betriebes begann, des Leningrader Elektrovakuumwerkes, welches der gestiegenen Nachfrage nach Röhren nicht mehr nachkam. Die Produktion war zu 70% von Importmaterialien abhängig; anfänglich war die Qualität sehr unzureichend (Staub von Zementböden bzw. Bodenbeläge aus Kunststoff mit Magnesiumchloridausdünstungen führten zur "Vergiftung" des Kathodenmateriales).
Es brauchte Zeit, auch bis die Abhängigkeit von Rohstoffimporten gesenkt wurde; zumal das Werk in der 30er Jahren von einem fachfremden Rotarmisten geleitet wurde (Quelle: www.computer-museum.ru/histussr/svetlana.htm.

Während des zweiten Weltkrieges wurde ein Teil der Röhrenproduktion nach Novosibirsk ausgelagert, 500 Beschäftigte mitsamt ihren Familien übersiedelten. Unter der Blockade Leningrades wurden weitere Ausrüstungen des Werkes nach Ufa und Moskau geschafft. Somit entstand auch in diesen Städten eine Röhrenproduktion.
Der Aufbau des Saratover Röhrenwerk "Reflektor" begann erst im Juli 1946; zu Beginn des Jahres 1953 begann dort die Röhrenfertigung (www.computer-museum.ru/connect/ reflec50.htm).


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Aus der Fertigung des Werkes "Svetlana" werden anschliessend interessante Nachbauten der amerikanischen direkt geheizten Röhren gezeigt.

Die 2A3 wurde zunächst mit selbiger Beschriftung ausgeliefert; mit der Standardisierung der Röhrenbenennung erhielt sie die Bezeichnung 2С4С:


Die US-2A3 hatte als Nachfolger die 6A3 mit 6,3-Volt-Heizer; diese wiederum mit Octalsockel trug die Bezeichnung 6B4G.
Der Vergleich einer 6C4C (~ 6B4G - USA),


aus dem Svetlana-Werk mit der 2A3 aus dem gleichen Werk zeigt, daß nicht einfach die Heizfäden bei der 6B4G in Reihe geschaltet wurden, es ist eine völlig andere Aufhängung des Heizfadens. Mit den Jahren gab es auch Änderungen am Getterhalter. Eine solche 2A3, in 2000 hergestellt, wird hier vorgestellt:


Eine weitere Röhre aus diesem Werk ist der Gleichrichter 5Ц3С, analog der 5Z3 (UX-4-Sockel, USA).
Die zuerst gezeigte stammt aus 1964, sie besitzt eine Heizungsfederung aus langen Federdrahtbügeln und zwei Getter-Töpfen -



- die folgende, aus 1973, besitzt die, danach fast nur noch verwendete, Heizungsaufhängung aus rund gedrehter Feder und nur noch einen Gettertopf:



- und der 5U4G, wieder mit 2 Gettertöpfen:


Ein Vergleich mit der 5Z3 von General Electric zeigt kürzere und breitere Anoden und einen mehrfach gefalteten Heizfaden:



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Von mir anliegend noch eine Röhrentabelle aus einem Buch von Levitin 1938, ein PDF-File: tabl_lev38_1.pdf

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Im folgende wird eine russische 6F6M Endpentode beschrieben die laut Aufdruck bereits 1941(!) produziert wurde, mit "C" - Logo, also Svetlana, Leningrad.
Das Produktionsdatum war März 1941.





Das folgende Bild zeigt den Vergleich mit den anderen 12W - Endpentoden EL84 und 6V6:


Nach der Übersicht über die Anfänge industrieller Röhrenproduktion in der UdSSR entsteht sicher die Frage, warum es so viele russische Analoge amerikanischer Röhren gibt und warum heute eigentlich nur noch die Nachfolger der amerikanischen Röhren gefertigt werden.

Anfang des Jahrer 1937 kaufte die UdSSR zur sehr günstigen Bedingungen die Fertigungsstraße eines Röhrenwerkes der Firma RCA nebst Rechten zur Nutzung von Patenten sowie der Einweisung des Personals: diese Anlage wurde im Leningrader Röhrenwerk "Svetlana" aufgebaut und produzierte Anfang 1937 die Stahlröhren 6А8, 6Г7, 6Ж7, 6К7, 6Л7, 6Ф5, 6Ф6, 6С5, 6Х6, 5Ц4 sowie das magischen Auge (Glasröhre) 6E5. Zum Ende 1937 kam die 6L6 (6Л6) dazu, in den Folgejahren wurden die 6L6 und 5Z4 mit Glaskolben hergestellt.
Im Krieg wurde 1942 die Produktionslinie bei "Svetlana" demontiert und in Novosibirsk wiederaufgebaut. Einige Teile der Anlage kamen auch in die Moskauer und Taschkenter Lampenwerke.
Mit dem Aufbau das Saratover Röhrenwerkes wurde 1946 dazu eine neue Fertigungsstraße aufgebaut, welche einige neue Stahlröhren fertigte: 6SA7-6А7, 6SK7-6К3, 6SQ7-6Г2, 6SR7-6Г1, 6SJ7-6Ж8, 6SG7.
So findet man im Levitins Buch von 1938 schon "amerikanische" Röhren mit analoger russischer Bezeichnung: tabl_lev38_3.pdf


Anmerkung: das M am Ende der Röhrenbezeichnung (6F6M) stand nicht für Metallkolben, sondern für metallisierte Oberfläche. Die russischen Stahlröhren haben genauso wie (normalerweise*) die amerikanischen keinen Buchstaben am Ende: 5Z4 = 5Ц4
6J7 = 6Ж7
6F6 = 6Ф6
6H6 = 6Х6
6L6 = 6Л6
6V6 = 6П6
6C5 = 6С2
6J5 = 6С5
Auf dem Röhrenprüfgerät liefert dieses Exemplar noch volle 100%. Die 6F6S bzw. 6F6M hat dieselbe Sockelbeschaltung wie die 6V6. Diese beiden Röhren sind elektrisch ähnlich, aber nicht identisch (die 6V6 ist etwas steiler, ca. 4mA/V statt den 3mA/V der 6F6).

* : Ausnahme: Es gab aber auch im RMA-Code (U.S.A.) den letzten Buchstaben "M":
Die Fa. Rogers bezeichnete damit die "metal spray" tubes: Glasröhren mit aufgesprühter leitender Schicht, z.B. die Rogers 6B6M, 6J5M, 6J7MG, 6J8M, 6K7M, 6N6MG, 6R7M, 6E8MG, 6F7M.
Auch ein "S" am Ende bezeichnet bei amerikanischen Röhren eine "spray-shielded" Röhre:
6F7S, 6B7S, 6A7S, 2A7S.
Interessant auch die Endung "LM": es gibt sie nur bei einigen seltenen Loctal-Röhren ("loctal metal"); diese haben aber keinen Stahlmantel, sondern sind Glasröhren mit fest aufgebrachter Aluminiumkappe zur Abschirmung:
7A7LM, 7B6LM, 7B8LM.
- Nicht verwechseln mit der seltenen Endung "LT": eine RCA-Variante mit "octalox" metal-banded base (gelötetem Sockel), Beispiele 35A5LT, 35Z3LT, 7C5LT.
Die Endbuchstaben G (glass = Glascontainer), GT (glass, tubular = gerader Glascontainer) sind allgemein bekannt.

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Ab diesem Punkt stelle ich alte bis sehr alte Russische Röhren vor die man ansonsten nicht bis sehr selten nur zu sehen bekommt.

Anfangen will ich mit der Röhre ФЭУ-1 (PhEU-1), ihr Haupteinsatzbereich war das 'motion picture equipment КПТ-1', ein Gerät welches im Kinobereich zur Filmvorführung verwendet wurde. Es ist eine Photokathode (Antimony-Cäsium):


Die folgenden Bilder zeigen die RCA-6F6 (VT66) und die Russischen Vergleichstypen 6Ф6С und 6Ф6M :


Das nächste Bild zeigt eine PhEY (ФЭУ) -22, eine Photo-Kathode :


Das folgende Bild zeigt eine 2600 von OSW (RFT), eine 6AC7 von 1949 und die endgültige 6Sh4 (6Ж4), alles pinkompatible Röhrentypen :


Die nächste vorgestellte Röhre ist zur Abwechslung einmal eine moderne Noval-Type, die 6Sh32P (6Ж32П) von 1976; sie entspricht der EF86 :


Die folgende vorgestellte Röhre ist die 2K2M von 1961 :


- Wird fortgesetzt!

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Das folgende PDF-File zeigt etliche Werbeseiten der Russischen Firma MELZ,
МЭЛЗ - Московски йэлектроламповыйз авод, dem Moskauer Glühlampenwerk. Diese Firma befasste sich mit der Herstellung von Qualitäts-Lampen und Röhren.
Das PDF-Dokument zeigt eine schöne Übersicht der Produktpalette dieses Herstellers.

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Wird fortgesetzt !



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