EL86 - OTL-Amp
von Heinrich Siemens
Entstehung:
Nach so vielen Lobgesängen über die Alnico Breitbänder wollte ich es einfach wissen und erwarb eines Tages
ein Päärchen von alten Philips AD 3800.
Sie haben eine 180 mm Papiermembran hart aufgehängt; Konuskalotte (Punktstrahlerprinzip); Stahlblechkorb und einen
Alnico-Magneten. Der Gleichstromwiderstand der Schwingspule beträgt 620 Ω.
Meine Cabasse Farella 401 mußte ich vor einem Jahr auslagern, da die Wucht dieser Boxen (93 dB Wirkungsgrad) mir
einfach zu viel Ärger mit Nachbarn und Familie bereitete, also hörte und höre ich die gelegentlich an
Wochenenden in meiner Firma.
So weit so gut, es mußte ein Lautsprecher her, der bei Zimmerlautstärke und im kritischen Raum von 20 m² mir die
gleiche Dynamik und Feinzeichnung bietet wie die Cabasse in der großen Halle.
Sicherlich war der Anspruch hoch gestellt. Ich probierte viele Boxen aus, und nervte inzwischen den freundlichen
"HI-FI Profis" Händler, der mir eines Tages sagte daß dies, was ich suche nicht zu finden sei. Ehrlich
gesagt, war ich der Meinung inzwischen auch, bis ich eines Tages beim Jochen den Buchauszug über die
Breitbandlautsprecher laß.
Sicherlich hörte ich auch früher derartige Treiber (z.B. auf der High-End Messe im Gravenbruch 2002). Nun waren
die Hörbedingungen dort nicht gerade optimal, wo aus jede Ecke Eric Klappstuhl & Co. mit ohrenbetäubenden
Lautstärke durch die Wände drangen. Und in High-End Läden kann ich einfach nicht entspannt hören, zumal
Preise, die verlangt werden meistens jenseits von gut und böse sind.
Ich beschloß also, so einen Treiber auf einer Schallwand auszuprobieren.
Nach dem Kauf habe ich zuerst einen Provisorium gebastelt, so mußte sich herausstellen, ob die Chassis tatsächlich
etwas taugen.
Nun konnte das Experiment beginnen.
Die Kette war eher bescheiden; ein Sony CDP 295 der an einen Harman/Kardon 430 (schon fast antiker Stereoreciver)
angeschlossen war. Obwohl ich bei den Klangbeschreibungen eher zurückhaltend bin, muß ich an dieser Stelle eine
Ausnahme machen. Derartige Feinzeichnung und räumliche Genauigkeit habe ich noch nie gehört. Auch leiseste Passagen
der Nebeninstrumenten klangen selbständig und nicht vom Solopart unterdrückt, wobei die Homogenität des
Klangbildes ständig präsent war. Anfangs hatte ich Zweifel ob der Amp die Chassis genug aussteuern kann (620Ω),
der H/K hatte es aber geschafft, auch Orchesterstücke klangen voluminös und mit genügend
Dynamikumfang.
Die Tatsache, daß ein Breitbänder gute Aufnahmen noch besser klingen läßt, schlechte dagegen gnadenlos
entlarvt kann ich nur bestätigen.
Bauartbedingt waren die Bässe nicht so ausgeprägt, wie´s man gerne hätte - nun aber nicht zu vergessen, es
waren nur Schallwände! Ich denke später an eine Transmissionsline, mal sehen was dann kommt...
Nach so einem Ergebnis (war überrascht, gebe zu) mußte natürlich ein Test an den SHM´s 002 SE folgen. Nun
fiel dieser erwartungsgemäß nicht so gut aus, da die Aüs für 4 bzw. 8Ω ausgelegt sind und
für 600Ω einfach zu wenig Power bringen, die Röhren klangen aber trotzdem hörbar besser als der HK.
Es gab also zwei Wege; einen anderen Breitbänder finden, der 4 bis 16Ω Widerstand aufweist oder ein
Röhrenverstärker bauen, der mit 600Ω Last arbeiten kann.
Dabei war der zweite Weg eigentlich der schlechtere, da solche Lautsprecher (600 Ω) so viel ich weiß nicht mehr
gebaut werden, also wird ein Verstärker, der nur an diese Lautsprecher arbeiten kann, gebaut.
Nun, daran fand ich auch die Exklusivität und beschloß die alte Philips zu reanimieren.
Wie auch bei den anderen Projekten half mir die Bibliothek von H. Michels, das Buch "Bild- und Emfängerröhren
1966-67" von Valvo hat entscheidend dazu beigetragen das Projekt zu verwirklichen. Dabei war auch der Reiz eine uralte
Schaltung so richtig auszutesten.
Als Endstufe bot sich die EL 86 - Schaltung geradezu an:
Beschrieben wird diese als Gegentaktschaltung, nun stellt die aber eine Eintaktschaltung mit einem aktiven Widerstand als
Ra (Konstantstromquelle) dar.
Die Amis beschreiben so eine Schaltung als single ended push-pull, was eigentlich korrekter ist. Somit stand die
Endstufenschaltung fest.
Als Treiber habe ich so einiges ausprobiert und muß gestehen, das Schaltungsdesign hat sich im Laufe der Zeit kaum
geändert. Kaum ist man nach wochenlangen Versuchen bei einer Schaltung angelangt, die gut klingt, so muß man
erneut feststellen, daß es so eine Schaltung bereits gibt und die meistens älter ist als ich.
So muß man eigentlich einräumen, daß beim Schaltungsentwurf man eher als Nachbauer und nicht als Neuerfinder
dasteht.
(Hat man eine entsprechende Bibliothek, so kommt man zu solchem Ergebnis
viel schneller! )
Auch die SHM 003 RIAA Schaltung ist eine, die bereits Hafler und Dynaco seit 1954 verwendete. Schade, daß gute
Röhrenliteratur heutzutage immer seltener und teurer wird.
Den Treiber, den ich danach einsetze fand ich im "Glas Audio".
Da wurde eine Schaltung mit der 6N3P als Treiber beschrieben die ich nach dem Test als bestklingende übernahm.
Es entstand eine kombinatorische Schaltung, die aus fertigen Bausteinen zusammengestellt war.
(Mit der Maustaste das Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)
Netzteil:
Als Basis für das Netzteil hatte ich einen Ringkerntrafo von einem älterem Projekt, der übrig blieb. Die
Schaltung ist auf diesen Trafo zugeschnitten und kann natürlich auch anders aussehen. Besonderheiten gibt’s hier keine,
nur daß ich den beiden Kanälen eigene 15 Hy Drossel spendierte.
Die Elkos sind von S+M, Roederstein, F&T, die B1,2 sind 25 A Metallgehäusebrücken und wurden bewußt
überdimensioniert gewählt (die habe ich übrigens auch in den SHM 002 SE mit guten Ergebnissen eingesetzt).
C1 .. 4 Entstörkondensatoren von WIMA. Da der Anodenstrom der Schaltung insgesamt 120 mA beträgt muß auf
jeden Fall für eine gute Belüftung gesorgt werden (Kühlungslöcher über den Drossel u.s.w.)
(Mit der Maustaste das Bild anklicken, es wird dann in voller Auflösung dargestellt.)
Der Aufbau:
Der Verstärker ist wie immer (bei mir) auf einem 3 mm starken eloxiertem Aluminiumblech 400 x 177 mm aufgebaut.
Das Alublech ist nicht magnetisch, leicht zu bearbeiten, benötigt bei entsprechend sauberem Arbeiten keine
Oberflächenbehandlung (ist eloxiert), bei 3 mm Stärke ist es stark genug um auch schwerere Bauteile zu tragen
(Netztrafos, Drosseln). Der Aufbau ist komplett frei verdrahtet.
Die Lautsprecher:
Die Philips habe ich in eine offene Schallwand eingebaut. Dazu verwendete ich zwei handelsübliche Leimholzbretter
aus Buche 1200 x 300 x 18. Nachdem das Schallloch fertig ausgeschnitten war, hatte ich 2 Spikes (6 mm Messinghutmutter) an
der Unterseite montiert, ein Regalhaltewinkel (unten) hält die Konstruktion aufrecht. Die Schallwände können
direkt an die Wand gestellt werden, was die Basswiedergabe unterstützt.
Der Klang:
Gehört wurde mit folgendem Equipment:
1. Quelle: Thorens TD 145 MK II mit Ortofon FF 15 XE MkII; Sony CDP 557 ESD
2. Preamp: EF 86_RIAA (Die Baubeschreibung findet sich auf dieser Leserprojekte-Seite)
3. Amp: EL86_OTL
4. Boxen: Philips AD 3800 Schallwandler auf einer Schallwand
Meines Erachtens stellen Breitbänder eine reizvolle Lösung für das Durchschnittswohnzimmer dar.
Besonders gut gelingt den Philips die Feinauflösung und räumliche Abbildung bei moderaten Lautstärken, das
war ja auch das Ziel des Projektes.
Wer den Tiefbass doch vermißt, kann auch ein kleinen separaten Subwoofer parallel laufen lassen, der auch von eine
kleinen Röhrenendstufe angetrieben werden kann. Künftig beabsichtige ich den Bau von zwei Transmissionsline´s.
Wiesbaden, den 07.08.03 H. Siemens